Qigong und das rechte Maß

Oder: Soll ich mich nun anstrengen oder nicht?

In letzter Zeit kam es ab und zu vor, dass Teilnehmer*innen nach dem Qigong berichteten, dass sie sich in den Übungen übernommen hatten und es dann im Nachhinein durch mehr Erschöpfung merkten. Während wandernde Spannungen gerade zu Beginn durchaus keine Seltenheit und ein Zeichen von zunehmendem Qi-Fluss sein können (siehe Blog-Artikel zur Qi-Reinigung), sollte sich jedoch keine Erschöpfung durch das Qigong einstellen. Im Gegenteil, man sollte sich nach den Qigongstunden harmonischer und erfrischter als vorher fühlen!

Die Teilnehmer*innen hatten sich also vermutlich zu sehr angestrengt. In der Tat ist es sehr leicht, das zu tun, da wir alle bekanntlich in einer Leistungsgesellschaft großgeworden sind. Entsprechende Erinnerungen, mehr aus sich herausholen zu sollen und evtl. auch zu wollen, als der Körper signalisiert, kennen wir wohl alle (nicht nur) aus dem Sportunterricht.

Im Qigong verhält es sich nun ganz anders. Wir lernen mehr und mehr, in uns hineinzuspüren, in uns hineinzuhorchen und die Bewegungen nur so weit zu machen, wie sie uns gut tun. Sie werden unter anderem deshalb so langsam ausgeführt, damit wir sie Zentimeter für Zentimeter mit unserem Geist begleiten und uns dadurch für den Qi-Fluss öffnen können („Where the mind goes, the Chi flows.“). Wie wir sie ausführen, wie stark wir in eine Dehnung gehen und wo unsere individuelle „angenehme Wachstumsgrenze“ ist, gibt uns der Körper jeden Moment neu vor – wir müssen also sehr aufmerksam sein. Der beste Gradmesser, ob wir uns an dieser Grenze befinden – sie evtl. ein bisschen durchlässiger machen, es aber nicht übertreiben – ist, ob wir uns in die Übung hineinentspannen können. Oder, anders ausgedrückt, ob sich ein inneres Gefühl von Öffnung und Weite einstellt.

Wenn nicht, ist weniger viel mehr. In den Kursen besprechen wir viele Möglichkeiten, Bewegungen kleiner, weniger hoch, im Liegen, evtl. nur als Mikrobewegungen zu machen. Das Entscheidende – nämlich sich mit dem Körper zu verbinden – wird davon nicht beeinflusst. Ebensowenig der Kern jeder bewegten Übung des Qigong: Den universellen Rhythmus von Ausdehnen und zur Mitte kommen innerlich nachzuvollziehen. Dies geht auch mit ganz kleinen Bewegungen oder indem man einfach  nur dem Atemrhythmus folgt.

Also: anstrengen ja, aber nur mit gleichzeitiger größtmöglicher Entspannung! Dies ist eins der Paradoxe des Qigong, das nur in der Praxis erfahren und geübt werden kann (und eine gute Übung für den Alltag ist 🙂 …

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